Burschenschaftliche geschichte

1. Geschichte

 

1.1 Entstehung und Programm

 

Die Burschenschaften entstanden nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon. Dabei hatten viele Studenten u.a. im Lützowschen Freikorps mitgekämpft. Sie setzten sich danach in der Zeit des Vormärz die Abschaffung der deutschen Kleinstaaterei, die Durchsetzung einer demokratischen Verfassung im Rahmen der Monarchie und die Schaffung eines großdeutschen Reiches zum Ziel.

Die 1815 in Jena gegründete Urburschenschaft bestand aus Gruppen mit nationalen, christlichen und freiheitlichen Ideen. Zu ihren geistigen Wegbereitern gehörten u.a. Ernst Moritz Arndt, "Turnvater" Friedrich Ludwig Jahn und Philosophen wie Johann Gottlieb Fichte. Sie forderte mit den Werten "Ehre-Freiheit-Vaterland" staatsbürgerliche Verantwortung, ethnische Solidarität und individuelle Freiheitsrechte zugleich ein. Möglich war diese Synthese verschiedener Elemente durch den elitären Ansatz, der in erster Linie die Pflicht des Einzelnen, für das Ganze einzutreten, betonte.

Auszug aus der Verfassungsurkunde der Jenaischen Burschenschaft vom 21.Juni 1815:

Erhoben von dem Gedanken an ein gemeinsames Vaterland, durchdrungen von der heiligen Pflicht, die jedem Deutschen obliegt, auf Belebung deutscher Art und deutschen Sinnes hinzuwirken, hierdurch deutsche Kraft und Zucht zu erwecken, mithin die vorige Ehre und Herrlichkeit unsres Volkes wieder fest zu gründen und es für immer gegen die schrecklichste aller Gefahren, gegen fremde Unterjochung und Despotenzwang zu schützen, ist ein Teil der Studierenden in Jena zusammengetreten und hat sich beredet, eine Verbindung unter dem Namen einer Burschenschaft zu gründen. Der vaterländische Gedanke war die wichtigste Idee, für die sich sehr viele Studenten begeistern konnten.

Um diese Gesinnung der ganzen Welt mitzuteilen, wurde am 17. Oktober 1817 auf der Wartburg bei Eisenach ein Burschenfest gefeiert, an dem etwa 600 Burschen aus ganz Deutschland teilnahmen. Das Festdatum war bewusst gewählt, um mit der Reformation Martin Luthers zugleich an den Sieg über Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig zu erinnern. Nach emotionalisierenden Festreden kam es zu einer ungeplanten Bücherverbrennung von Schriften, die als "undeutsch" galten. Verbrannt wurden u.a. Symbole der französischen und der Fürstenherrschaft, der Code Napoleon, und das Buch "Germanomanie" des jüdischen Autors Saul Ascher.

Diese Bücherverbrennung wurde später unter anderen Vorzeichen von antisemitischen Gruppen und Parteien, vor allem durch die NSDAP kopiert. Vertreter aus der Deutschen Burschenschaft waren 1933 daran führend beteiligt.

Die Versammlung formulierte und beschloss dann gemeinsame Grundsätze und Ziele, um allen deutschen Burschenschaften ein gemeinsames politisches Programm zu geben:

- politische, religiöse und wirtschaftliche Einheit Deutschlands

- Aufhebung der Zollschranken

- Ausbau der Wehrkraft

- Entwicklung der konstitutionellen Monarchie mit vaterländischer Verfassung

- Gleichheit vor dem Gesetz

- Einführung des Prinzips nulla poene sine lege (Latein: keine Strafe ohne Gesetz)

- Schutz von Freiheit und Eigentum

- Rede- und Pressefreiheit, Freizügigkeit

Das Programm griff also wesentliche liberale Ideen der französischen Revolution auf, obwohl die Burschenschafter diese ablehnten. Sie betteten sie in eine "vaterländische" und "wehrhafte" Monarchie ein.

Die bürgerlichen Rechte finden sich heute in allen europäischen Verfassungen, auch dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, während die Monarchien fast überall abgeschafft wurden. Im folgenden Jahr kam es an vielen Universitäten zur Gründung von Burschenschaften, die diese Grundsätze vertraten. Diese verstanden sich anfangs nicht als Vielzahl unabhängiger Burschenschaften, sondern als Teil einer einzigen großen Burschenschaft, die die gesamte Studentenschaft umfassen und alle bisher bestehenden Studentenverbindungen ablösen sollte: der "Allgemeinen deutschen Burschenschaft".

Die Vereinigung wurde letztlich nicht erreicht, da einige Verbindungen ihre alten Traditionen festhielten. Die Corps und Landsmannschaften alten Typs bestanden weiter.

 

1.2 Vom Wartburgfest bis zur Paulskirchenversammlung

 

1819 kam es in vielen deutschen und europäischen Großstädten zu Ausschreitungen von Kleinbürgern und Studenten gegen jüdische Geschäfte und Häuser. Diese sogenannten Hep-Hep-Krawalle reagierten auf die schlechte Wirtschaftslage infolge der raschen Industrialisierung und wurden von vielen Burschenschaftern mitgemacht.

Im selben Jahr ermordete der Burschenschafter Karl Ludwig Sand den russischen Agenten August von Kotzebue, dessen Werk "Geschichte des deutschen Reichs" beim Wartburgfest auch verbrannt worden war. Daraufhin erließ die damalige preußische Regierung strenge Verbote jeder studentischen Organisierung an Hochschulen und anderswo. Diese Karlsbader Beschlüsse gingen auf den Einfluss von Fürst Metternich, damals Staatskanzler Österreichs, im Deutschen Bund zurück. Wegen ihnen waren viele Burschenschafter in den nächsten Jahren staatlicher Beobachtung und Verfolgung ausgesetzt.

Auf dem Hambacher Fest 1832 wurden erstmals die Burschenschaftsfarben Schwarz-Rot-Gold (Couleur) verwendet. Sie wurden zum Symbol der Demokratiebewegung in Deutschland und darum später zur Staatsflagge der Weimarer Republik, der Bundesrepublik Deutschland und auch der DDR.

Nach dieser Zusammenkunft wurden die Staatsverbote komplettiert: Alle politischen Vereine und Versammlungen, Fahnen und Abzeichen, Feste und Reden wurden verboten. Ein Spitzelsystem sorgte für Überwachung aller studentischen Aktivitäten.

Nach der Julirevolution in Paris nahm die deutsche Demokratiebewegung wieder zu. Nach und nach wurden die Verbote wieder gelockert. Viele Burschenschafter waren eine treibende Kraft der Revolution von 1848. Infolge der Einrichtung einer Nationalversammlung in der Paulskirche wurden die Karlsbader Verbote endlich aufgehoben.

1859 kam es beim 100. Geburtstag von Friedrich Schiller zu ersten offiziellen Gründungen von Burschenschaften auf dem Gebiet von Österreich-Ungarn. Zuvor hatte Metternich dort ein Koalitionsverbot mit effizienten Unterdrückungsmethoden durchsetzen können.

 

1.3 Burschenschaften im Kaiserreich

 

Nach der Einigung des Reiches 1871 sahen die Burschenschaften ihr wichtigstes Ziel, den Zusammenschluss der deutschen Länder und Staaten, als erreicht an und zogen sich allmählich aus dem politischen Leben zurück. Aus der revolutionären Bewegung wurde eine staatstragende Organisation, das politische Spektrum blieb aber sehr breit und reichte von radikal-demokratischen Gruppen bis zu national-konservativen.

 

1.4 Burschenschaften in der Weimarer Republik

 

In der Zeit der Weimarer Republik befand sich der größte und wichtigste Dachverband von Burschenschaften - die "Deutsche Burschenschaft" - im Lager der nationalistischen Republikgegner. Auch der Antisemitismus setzte sich bei der Deutschen Burschenschaft fort und führte zu Beschlüssen, jüdische Mitglieder auszuschließen.

 

1.5 Burschenschaften im Dritten Reich

 

Adolf Hitlers Machtergreifung wurde von einer Mehrheit der im DB organisierten Burschenschaften begeistert begrüßt. Bald darauf initiierten einige seiner Führer zusammen mit der Hitlerjugend und SA eine öffentliche Bücherverbrennung. Diese knüpfte ausdrücklich an das Wartburgfest von 1817 an und betraf vor allem jüdische Autoren, darunter viele ehemalige Burschenschafter.

Anfangs förderten die Nationalsozialisten die Burschenschaften zum Teil. Seit 1934 setzten sie sie im Rahmen der Gleichschaltung immer stärker unter Druck, um sie wie alle übrigen Studentenverbände dem NS-Studentenbund (NSDStB) einzugliedern. Viele Burschenschaften entzogen sich dem, indem sie sich vorher selbst auflösten. Andere führten ihre Traditionen verdeckt innerhalb der NS-Kameradschaften fort.

 

2. Burschenschaften heute

 

Nach 1945 kam es zu Wiedergründungen. Ein Teil der Burschenschaften ist heute in den Korporationsverbänden "Deutsche Burschenschaft" (DB) und "Neue Deutsche Burschenschaft" (Neue DB) organisiert.

Außerhalb der bisher genannten Dachverbände existieren weitere Studentenverbindungen, die sich Burschenschaft nennen: z.B. im Schwarzburgbund, der nur nicht-schlagende Verbindungen aufnimmt, und im Ring katholischer Deutscher Burschenschaften (RKDB). Burschenschaften an Fachhochschulen sind im Bund Deutscher Ingenieur-Corporationen (BDIC) zu finden. Die in diesen Verbänden zu findenden Burschenschaften sind im Vergleich zu den Verbindungen in der DB meist wesentlich liberaler. Die von einigen Kritikern vertretene Ansicht, Burschenschaften seien grundsätzlich rechtsradikal, ist daher falsch.

 

3. Namhafte Burschenschafter

 

3.1 Wissenschaft und Wirtschaft

 

Konrad Duden (1829-1911), Philologe

Wilhelm Exner (1840-1931), Politiker

Ernst Heinrich Heinkel (1888-1958), Flugzeugbauer

Heinrich Hertz (1857-1894), Physiker

Otto Loewi (1873-1961), Mediziner

Theodor Mommsen (1817-1903), Historiker

Franz Oppenheimer (1864-1943), Nationalökonom und Soziologe

Ferdinand Porsche (1875-1951), Automobilbauer

Arnold Sommerfeld (1868-1951), Atomphysiker

Lorenz von Stein (1815-1890), Staatsrechtler und Soziologe

Max Weber (1864-1920), Soziologe, Nationalökonom und Wirtschaftshistoriker

 

3.2 Kunst, Literatur, Musik

 

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874), Germanist und Dichter

Fritz Reuter (1810-1874), niederdeutscher Schriftsteller

Theodor Storm (1817-1888), Jurist und Schriftsteller

 

3.3 Politik und Gesellschaft

 

Robert Blum (1807-1848)

Rudolf Breitscheid (1874-1944) sozialdemokratischer Politiker

Eberhard Diepgen ehem. Regierender Bürgermeister Berlins

Ferdinand Lassalle (1825-1864), Publizist und Arbeiterführer

Eduard von Simson (1810-1899) Jurist und Politiker

Friedrich Julius Stahl Rechtsphilosoph und Politiker

Gustav Stresemann (1878-1929) Politiker

 

4. Kritik

 

Kritik an Burschenschaften wird vor allem von sozialdemokratischen, grünen, anarchistischen und kommunistischen Parteien und Organisationen geäußert. Teilweise kommt die Kritik auch aus dem liberalen Lager. Häufig wird von Burschenschaften und studentischen Verbindungen behauptet, dass sie einen elitären Zugang zur Gesellschaft haben. Bei Veranstaltungen und Demonstrationen der radikalen Linken werden Burschenschaften und Verbindungen meist undifferenziert als faschistische Organisatationen bezeichnet, während in der theoretischen/historischen Auseinandersetzung meist eine differenziertere Darstellung erfolgt.

Von feministischer Seite werden Burschenschaften oft als männliche Seilschaften bezeichnet, die im universitären und wirtschaftlichen Bereich Postenschacher betreiben und damit Frauen explizit aus wichtigen Positionen ausschließen.

 

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